Abnehmen ist nicht einfach. Und wer es erfolglos probiert hat, ist offen für Versprechen: Ein Lebensmittel, dass Pfunde purzeln lässt? Oder eine Tablette? Das klingt sehr verlockend, wenn man gerade gegen den Jo-Jo-Effekt kämpft.
Überzeugender wird das Versprechen, wenn es eine (scheinbar) wissenschaftliche Erklärung begleitet: „Du nimmst ab, weil das Produkt deinen Stoffwechsel anregt.“
Klingt gut. Aber sind wir mal ehrlich: Vom Stoffwechsel hat zwar jeder schon mal gehört, aber was er genau bedeutet – das weiß kaum jemand. Auch nicht, ob man ihn anregen, ankurbeln oder sonst wie auf Trab bringen kann.
Nach diesem Artikel bist du schlauer, denn ich erkläre dir kurz und verständlich, was der Stoffwechsel ist, was er mit Abnehmen zu tun hat und mit welchen Methoden man ihn optimieren kann.
Stoffwechsel anregen: Was bedeutet das?
Stoffwechsel ist ein Sammelbegriff für viele Prozesse im Körper. Eines haben sie gemeinsam: Stoffe werden auseinander- und wieder zusammengebaut. Oft werden sie zwischendurch an einen anderen Ort im Körper transportiert. Auf diese Art und Weise wächst der Körper oder repariert kaputte Zellen. Er „verstoffwechselt“ so auch Nahrung, zieht die Energie heraus oder macht sie zu Bausteinen für die Zellen.
Stoffwechsel findet in jedem Lebewesen statt. Egal ob Pflanze, Tier oder Mensch. Man könnte sagen: Stoffwechsel ist Leben.
Je nachdem, welche Stoffe man untersucht, spricht man zum Beispiel vom Kohlenhydratstoffwechsel oder auch vom Fettstoffwechsel. Das Grundprinzip ist aber immer dasselbe: Auseinander – oder Zusammenbauen.
Dieses ganze Auseinander- und Zusammenbauen verbraucht Energie. Wenn man nun untersuchen will, wo und auf welche Weise unser Körper Energie verbraucht, spricht man vom „Energiestoffwechsel“.
Denn der bestimmt, ob wir abnehmen, zunehmen oder unser Gewicht halten. Das Grundprinzip ist nämlich einfach: Wenn wir mehr Energie über Nahrung aufnehmen, als unser Körper verbraucht, dann nehmen wir zu.
Wenn ein Produkt also verspricht „den Stoffwechsel anzuregen“, müsste es eigentlich „Energiestoffwechsel“ heißen – aber das ist wohl nicht griffig genug.
Diese Stoffwechsel-Booster wollen also unseren Energiestoffwechsel so beeinflussen, dass wir dadurch Gewicht verlieren. Aber ist das überhaupt möglich? Lässt sich der Energiestoffwechsel beeinflussen?
Sehen wir uns einmal an, wie er funktioniert.
Energiestoffwechsel: Wie unser Köper Energie verbraucht
Der Energieverbrauch unseres Körpers lässt sich in drei große Bereiche unterteilen:
Die grundlegenden Körperfunktionen, wie Atmung, konstante Temperatur, Herzschlag und der Betrieb aller anderen Organe. Diese Prozesse sind das Mindeste, was wir zum Leben brauchen, selbst wenn wir still und entspannt auf dem Bett liegen und uns nicht bewegen. Die dafür nötige Energie nennt man „basale Stoffwechselrate“ oder auch „Grundumsatz“. Dein persönlicher Grundumsatz hängt von vielen körperlichen Faktoren ab. Aber mit einer Faustformel kannst du ihn ungefähr berechnen (Ich empfehle einen Taschenrechner ;-) ).
Für Frauen: (0,047 × Gewicht in kg - 0,01452 × Alter in Jahren + 3,21) × 239
Für Männer: (0,047 × Gewicht in kg + 1,009 - 0,01452 × Alter in Jahren + 3,21) × 239
Die Verarbeitung von Nahrung. Ja, es klingt etwas paradox. Sollte Nahrung nicht Energie liefern? Tja, das tut sie. Aber um an die Energie zu kommen, muss der Körper erst einmal Energie aufwenden. Um die Nahrung zu zerlegen (Verdauung), die Einzelteile ins Blut aufzunehmen und an ihren Zielort zu transportieren, zum Beispiel. Das macht ungefähr 10 % des gesamten Energieverbrauchs aus. Der Energieaufwand unterscheidet sich übrigens von Nährstoff zu Nährstoff und liegt für Protein beispielsweise höher, als für Fett.
Jede körperliche Aktivität, die über die lebensnotwendigen Grundfunktionen hinausgeht. Das beginnt mit Sitzen und Stehen und endet in sportlichen Ausnahmeleistungen, wie dem Besteigen des Mount Everest. Spoiler: Diesen Teil des Energieverbrauchs können wir am besten beeinflussen.
Was schließen wir daraus? Lebensmittel und Aktivitäten, die unseren Energiestoffwechsel fördern möchten, müssen einen dieser drei Bereiche beeinflussen.
Im nächsten Abschnitt erfahren wir, welche das tun – und welche nicht.
Mythencheck: Welche Stoffwechsel-Tricks funktionieren?
Kommen wir zum spannendsten Teil. Ich habe die beliebtesten Stoffwechsel-Booster auf die Probe gestellt und gefragt: Welche konnten ihre Wirkung unter strenger wissenschaftlicher Kontrolle beweisen?
Es sind nur drei – einen davon wendest du vielleicht bereits an.
Koffein
Früher wurde ihm unterstellt, den Körper zu entwässern, doch mittlerweile erfährt Kaffee Lob von allen Seiten. Nicht nur, dass er nicht schädlich sei, nein, Kaffeetrinker seien auch noch die gesünderen Menschen. Eine der Behauptungen: Koffein fördere den Stoffwechsel. Was ist dran?
Das sagt die Wissenschaft: Eine Zusammenfassung verschiedener Studien zum Thema kommt zu dem Schluss: Gemäßigter Konsum (3-4 mg pro kg Körpergewicht täglich) scheint den Energieverbrauch im Körper zu erhöhen. Für einen Mensch mit 60 kg sind das etwa 1 bis 2 Tassen Kaffee pro Tag. Eine der untersuchten Studien beobachtet bei Kaffeetrinkern einen um 10 % höheren Grundumsatz. Das wären bei einer 40-Jährigen Frau mit 60 kg Gewicht etwa 130 Kalorien. Allerdings gibt es keine Untersuchung, die bestätigt, dass Kaffeetrinken tatsächlich zu Gewichtsverlust führt.
Empfehlenswert? Moderate Kaffeetrinker verbrauchen mehr Energie. Wenn du bereits Kaffee trinkst, kannst du dich darüber freuen. Aber extra damit anfangen? Musst du nicht. Du hast bestimmt deine Gründe, keinen Kaffee zu trinken. Und fürs Abnehmen gibt es effizientere Methoden. Falls du es doch versuchst: Stelle dich auf eine Eingewöhnungszeit von bis zu vier Tagen ein, in denen Blutdruck und Herzschlag nach dem Kaffeetrinken leicht steigen können.
Grüner Tee
Das Wunderheilmittel aus Fernost: Im Gegensatz zu Kaffee hatte grüner Tee nie einen schlechten Ruf. Aber wirkt er sich auch positiv auf den Stoffwechsel aus, wie viele behaupten?
Das sagt die Wissenschaft: Die Wirkung von grünem Tee auf das Körpergewicht wurde ausgiebig untersucht. Mit dem Ergebnis: Er hilft signifikant dabei, Pfunde zu verlieren und sie nicht wieder zuzulegen. Unter anderem, indem er den Grundumsatz um bis zu 5 % steigert (etwa 65 Kalorien bei einer 40-Jährigen Frau mit 60 kg) und die Fettverbrennung um 10 bis 16 % erhöht.
Empfehlenswert? Wenn dir grüner Tee schmeckt, könnte er ein Bausteinchen in deiner Abnehm-Philosophie sein. Er gilt als sicheres Lebensmittel und ist daher unbedenklich für die Gesundheit. Wunder darfst du von ihm aber nicht erwarten.
Wichtiger Nachtrag (15.10.2018): Grüner-Tee-Extrakt, wie es in vielen Supplementen verwendet wird, ist nicht mit Grünem Tee gleichzusetzen, weil darin einige Inhaltsstoffe sehr konzentriert auftreten. Zum Beispiel das Antioxidans ECGG (Epigallocatechinegallat). Ernährungsmediziner Prof. Dr. Martin Smollich warnt auf seinem Blog ausdrücklich vor Supplementen mit hoher Konzentraton an ECGG, weil dessen positiven Effekte am Menschen noch unbelegt seien, aber eine Studie das Risiko für schwere Leberschäden nahelegt.
Scharfes Essen
Chili & Co bringen uns nicht nur zum Schwitzen, sie lassen auch die Pfunde purzeln – was ist dran, an dieser Behauptung?
Das sagt die Wissenschaft: Verantwortlich für den Stoffwechsel-Boost soll der Stoff Capsaicin sein, der in vielen Paprika-Arten vorkommt, unter anderem in der Chilischote. Kurzzeitstudien wurden vor allem in asiatischen Ländern durchgeführt, wo scharfes Essen etabliert ist. Sie zeigen einen erhöhten Energieverbrauch, von bis zu 5 % des Grundumsatzes. Verlässliche Langzeitstudien fehlen allerdings. Studien mit kaukasischen Probanden scheitern oft daran, dass sie die Schärfe nicht vertragen.
Empfehlenswert? Wenn du auf scharfes Essen stehst, hast du jetzt ein weiteres Argument für deine Leidenschaft. Falls du Schärfe nicht magst, hast du vermutlich einen guten Grund dafür und solltest gut überlegen, ob du für ein paar eingesparte Kalorien etwas essen willst, das dir nicht schmeckt oder sogar schlecht tut. Eine Alternative ist die Chilischote „CH 19 Sweet“ – sie enthält zwar Capsaicin, schmeckt aber nicht scharf.
Tabletten, Säfte, Pulver
Man muss nur „Stoffwechsel anregen“ googeln und findet schnell dutzende Produkte, die einem gegen Euros beim Abnehmen helfen wollen. Es gibt sie in allen Farben und Formen, vom Shake bis zur Pille. Aber wirken sie auch – oder sind sie am Ende sogar schädlich?
Das sagt die Wissenschaft: Viele „Stoffwechselpräparate“ enthalten alte Bekannte: Auf der Zutatenliste stehen Koffein, Grüner-Tee-Extrakt oder Capsaicin. Zwar scheint für die ersten beiden eine Wirkung auf den Stoffwechsel nachgewiesen – jedoch ist, erstens, unklar, ob sich deren Wirkung bei Kombination addiert. Zweitens kann die Aufnahme einzelner Inhaltsstoffe in konzentrierter Form der Gesundheit sogar schaden. Zumindest wird für hohe Mengen ECGG (Antioxidans in grünem Tee) ein Risiko für die Leber vermutet (weitere Infos im Abschnitt "Grüner Tee" weiter oben). Für Capsaicin fehlt ein verlässlicher Langzeitnachweis. Dasselbe gilt für folgende häufige Zutaten: Ginseng, Taurin, Seidenpeptide und Octacosanol.
Empfehlung: Die Philosophie "Viel hilft viel" ist ein gefährlicher Ratgeber. Verlässlicher ist "Die Dosis macht das Gift". So können vermeintlich gesundheistfördernde Stoffe in großen Mengen schädlich sein. Entsprechend sollte jedes Supplement, das "Extrakte" und konzentrierte Stoffe enthält, kritisch beäugt und am besten vor Einnahme mit dem Arzt des Vertrauens diskutiert werden.
Muskelmasse
Muskeln erhöhen den Energiebedarf, denn sie verbrauchen auch im Ruhezustand Energie. Richtig?
Das sagt die Wissenschaft: Ein Kilogramm Muskeln im Ruhezustand verbraucht etwa 13 Kalorien pro Tag (~ 54,4 kJ).
Empfehlung: Muskeln verbrauchen Energie, auch wenn sie nicht im Einsatz sind. Allerdings bedeuten 5 kg mehr Muskelmasse nur einen um ca. 65 Kalorien höheren Energieverbrauch. Nicht gerade viel. Es ist trotzdem gesundheitsfördernd, sich ein paar Muskeln anzutrainieren. Denn zum einen verbrauchst du beim Training selbst Kalorien (etwa 400 Kalorien pro Stunde laut Techniker Krankenkasse) und zum andern stabilisieren Muskeln deinen Körper und können so Schmerzen und Schädigungen verhindern, zum Beispiel am Rücken. Nur an der Geschichte, dass ruhende Muskeln dir beim Abnehmen helfen, ist leider nichts dran.
Sport
„Treiben Sie mehr Sport!“ ist oft der erste Rat, den Abnehmwillige hören. Klingt einleuchtend. Aktivität erhöht schließlich den Energieverbrauch. Aber wie macht sich Sport gegen die anderen Stoffwechsel-Tricks?
Das sagt die Wissenschaft: Der Energieverbrauch variiert je nach Sportart: von 200 Kalorien pro Stunde beim Volleyball bis über 1.000 Kalorien bei schnellem Skilanglauf in hügeligem Gelände. Ambitioniertes Joggen mit 12 km/h verbrennt über 800 Kalorien. Das sind natürlich Richtwerte. Dein individueller Verbrauch hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Trainingsintensität und dem Körpergewicht. Übrigens: Fitness Tracker messen laut einer Untersuchung der Stanford School of Medicine zwar die Herzfrequenz korrekt, aber nicht den Kalorienverbrauch.
Empfehlung: Etwas besseres als regelmäßigen Sport kannst du deinem Körper nicht gönnen – vor allem, wenn du abnehmen willst. Der Energieverbrauch liegt selbst bei mittelmäßig anstrengenden Aktivitäten, wie Wandern in ebenem Gelände (ca. 300 Kalorien pro Stunde), weit über den Benefits aller Lebensmittel und Präparate. Kleiner Tipp: Wähle deine Sportart nicht nach dem höchsten Kalorienverbrauch aus, sondern nach Spaßfaktor. Denn nur, wenn du gerne Sport treibst, machst du es auch regelmäßig. Menschen mit hohem Übergewicht (BMI über 30) sollten zu Beginn eine gelenkschonende Sportart wählen, wie Schwimmen oder Radfahren.
Fazit: Wie du deinen Stoffwechsel erfolgreich anregst
Sport und eine ausgewogene Ernährung sind die effektivsten Mittel, um deinen Stoffwechsel zu beeinflussen und Gewicht zu verlieren. Und zwar mit Abstand.
Von den gängigen Stoffwechsel-Boostern, die vielerorts angepriesen werden, haben nur Kaffee und grüner Tee eine nachweisbare Wirkung auf den Energieverbrauch. Deren Wirkung ist jedoch sehr überschaubar. Mit dem Trinken deshalb anzufangen, lohnt sich kaum. Zumal es für die meisten Menschen gute Gründe gibt, dass sie bisher auf die Getränke verzichtet haben. Sei es, dass ihnen der Geschmack nicht zusagt oder ihr Körper mit Unwohlsein reagiert.
Und auf den Körper zu hören und ein Gespür für seinen Bedürfnisse zu bekommen, ist fürs Abnehmen wichtig. Weil jeder Mensch unterschiedlich ist, können sich auch die körperlichen Reaktionen auf Lebensmittel unterscheiden. Was für den einen gut funktioniert, klappt beim anderen überhaupt nicht. Den richtigen Dreh für sich zu finden, kann eine Weile dauern. Aber es lohnt sich, denn oft erleichtert es das Leben auf lange Sicht.
Zum Schluss muss ich noch eine Warnung aussprechen: Du kannst deinen Stoffwechsel nicht nur positiv beeinflussen, sondern auch durcheinanderbringen. Und zwar durch strenge und häufige Diäten. Sie verwirren den Körper und nicht selten fährt er nach Hungerkuren seinen Grundumsatz herunter. Das heißt: Wenn du deinem Körper oft nur wenige Kalorien gibst, gewöhnt er sich an dieses Energielevel. Die Folge: Wenn die Radikaldiät beendet ist und man sich wieder mehr Kalorien "gönnt", nimmt man unweigerlich zu. Ist der Stoffwechsel einmal durch Diäten durcheinander gebracht, kann es sehr aufwändig und langwierig sein, ihn zu normalisieren.
Lass dich deshalb nicht zu Diäten verleiten, die Erfolge über Nacht versprechen. Gewicht zu verlieren oder sein Wunschgewicht zu halten, erfordert fast immer eine langfristige Ernährungsumstellung. Wie das funktioniert, hat dir meine Kollegin Beke in ihrem ausführlichen Ratgeber zum gesunden Abnehmen zusammengefasst.
Wenn dir das nun alles nicht weiterhilft, weil du schon so viel versucht hast, aber nichts funktioniert, habe ich noch einen Tipp für dich: Lass dich untersuchen. Es gibt Stoffwechselerkrankungen, die es einem sehr schwer machen, ein gesundes Gewicht zu halten. Oft ist dabei die Schilddrüse betroffen, die viele Stoffwechselprozesse steuert. Zum Glück gibt es für viele Erkrankungen in diesem Bereich mittlerweile effiziente Therapien. Lass dich von deinem Arzt beraten!
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Titelbild: guvo59 (Pixabay)