Nachhaltigkeit

"Wer langfristig etwas verbessern will, muss faire Beziehungen aufbauen"

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von SevenCooks Redaktion

12.12.2017

Fairer und nachhaltiger Handel ist das Ziel von Christine Grotendiek. Seit 2004 vertreibt ihre Firma Tropicai Kokosprodukte von den Philippinen. Uns Menschen im Westen will sie dabei helfen, ursprüngliche Lebensmittel wieder mehr zu schätzen – und den Philippinos, auf ihre Produkte stolz zu sein. Dass Fairtrade für sie nicht nur ein leeres Versprechen ist, zeigen zahlreiche gemeinnützige Projekte. Wie man Nachhaltigkeit und unternehmerische Interessen verbindet, verrät sie im Interview mit dem SevenCooks Magazin.

SevenCooks: Liebe Frau Grotendiek, im Jahr 2004 gründeten sie Tropicai, ein Unternehmen für Kokosnussprodukte. Sie hatten davor noch keine Erfahrung in der Lebensmittelindustrie. Wie kam es dazu?

Christine Grotendiek: Ich habe mit meiner Familie bis 2003 auf den Philippinen gelebt, weil mein Mann dort als Buschpilot für ein christliches Hilfswerk gearbeitet hat. Nach unserer Rückkehr brauchten wir zum einen eine neue Einkommensquelle, weil Buschpiloten hierzulande ja nicht unbedingt gesucht werden. Zum anderen haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, mit den Philippinen in Kontakt zu bleiben. Mit der Gründung von Tropicai konnten wir beides verbinden. Denn Virgin-Coconut-Oil gab es damals in Europa noch gar nicht. Bekannt war damals nur ein Plattenfett, eine Mischung aus verschiedenen Palm- und Kokosnuss-Fetten, ein hochgradig raffiniertes Produkt, das nichts mit dem kaltgepressten, aromatischen Öl von heute gemeinsam hat.

Steckt hinter dem Namen Tropicai eine Geschichte?

Das Wort „Trope“ kommt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Umkehr, Sonnenwende“. Mit Tropicai wollen wir eine Art Umkehr in den Köpfen anstoßen. Eine Umkehr bei uns im Westen, dass wir ursprüngliche und natürliche Lebensmittel wieder mehr schätzen. Aber auch eine Umkehr bei den Menschen auf den Philippinen. Denn dort haben heimische Produkte oft kein hohes Ansehen. Das zeigt sich daran, dass sie oft minderwertige Produkte aus dem Westen kaufen. Die Menschen kochen zum Beispiel mit irgendeinem importierten und hoch raffiniertem Maiskeimöl, anstatt ihr eigenes Kokosöl zu verwenden. Wir wollen ihnen zeigen, dass ihre Produkte im Ausland hochgeschätzt und immer wieder nachgekauft werden – und so auch den Menschen dort eine Wertschätzung zukommen zu lassen.

Das klingt sehr ehrbar, aber als Unternehmerin müssen sich doch auch an Gewinne denken, oder nicht?

Für Unternehmen spielt Profitmaximierung natürlich eine Rolle, aber sie ist nicht unser oberstes Ziel. Sie darf nicht bestimmen, wo oder was wir einkaufen. Wir haben über die Jahre gemerkt: Wir sind zwar manchmal etwas teurer, aber wir haben es immer geschafft, die beste Qualität zu haben. Das merken auch die Konsumenten. Denn die Qualität auf dem Markt ist schon sehr unterschiedlich. Das war bereits vor einigen Jahren zu spüren, als Kokosprodukte immer beliebter wurden und viele Produkte auf den Markt kamen.

Sie haben betont, dass Ihnen die Menschen auf den Philippinen wichtig sind. Worauf legen sie bei der Zusammenarbeit wert?

Ich will faire und langfristige Beziehungen aufbauen. So kann man langfristig etwas verbessern: Das Produkt und die Lebensbedingungen vor Ort. So entsteht ein gegenseitiger Vorteil. Ich habe meine zwei Hauslieferanten für Virgin Coconut Oil seit 2005 und suche keine neuen Lieferanten, nur weil die ein paar Cent billiger sind.

Kokospalmen bekommen wir höchstens im Urlaub zu sehen. Eine ganze Farm haben wohl die wenigsten bisher zu Gesicht bekommen. Können Sie uns beschreiben, wie professioneller Kokos-Anbau aussieht?

Zunächst einmal ist wichtig zu sagen, dass Kokospalmen – im Gegensatz zu Ölpalmen – nicht in Monokulturen angebaut werden. Die wachsen seit Jahrtausenden überall im Tropenraum im Wildwuchs und die Bauern können dazwischen alles Mögliche anpflanzen. In einigen Gegenden versuchen sie Erdnüsse oder Pfeilwurzeln anzubauen, auch Mangobäume oder Papayas werden oft dazwischen gepflanzt. Und Bananen natürlich. Die Größe der Farmen ist recht unterschiedlich. Wir haben sehr viele Kleinbauern mit ein bis drei Hektar, mittelgroße zwischen fünf und sieben Hektar und ein paar Große mit zehn Hektar oder mehr. Aber wir arbeiten mit allen zusammen, die nach europäischen Biostandards arbeiten und zertifiziert sind. (Anmerkung der Redaktion: ein Hektar ist etwas kleiner als ein typisches Fußballfeld)

Sie sagen, dass Ihnen Nachhaltigkeit sehr wichtig ist. Aber wie nachhaltig kann ein Produkt sein, das man von den Philippinen importieren muss?

Zunächst einmal: Die Kokospalme selbst ist eine der nachhaltigsten Pflanzen der Welt. Man kann wirklich alles von ihr nutzen: den Stamm, die Blätter, den Blütensaft, das Fruchtfleisch, das Wasser, die faserige Außenhaut. Das hat mich von Anfang an fasziniert.

Dann muss man natürlich sagen: Kokosnüsse gibt es bei uns nicht. Wenn man sie will, muss man sie importieren. Unsere Produkte werden per Schiff transportiert, das ist auf jeden Fall nachhaltiger als per Flugzeug. Es dauert zwar lange, aber da wir sehr haltbare Produkte haben, ist das kein Problem.

Wenn man die Kokospalme mit anderen Rohstoffen vergleicht, wird deutlich, dass sie sehr nachhaltig ist. Nehmen wir zum Beispiel Zucker als Vergleich – egal, ob er lokal in Form von Zuckerrüben angebaut wird oder aus Zuckerrohr gewonnen importiert wurde. Da gibt es eine Ernte pro Jahr, der Anbau verbraucht eine große Fläche, viele Düngemittel und die Herstellung benötigt viel Energie. Beim Rohrzucker werden die Felder nach der Ernte sogar abgebrannt und alles neu angepflanzt.

Eine Kokospalme bildet zehn bis zwölf Blütenstände pro Jahr aus. Zudem kann bis zum Alter von 80 Jahren frischer Blütensaft geerntet werden. Da muss man nach der Ernte keine Pflanze abhauen und neu pflanzen. Und aus diesem Saft kann man Jahr ein Jahr aus Kokosblütenzucker gewinnen. Das ist viel nachhaltiger, wenn man es mit Rüben oder Rohrzucker vergleicht.

Ich habe noch nie eine Rechnung mit Raps- oder Sonnenblumenöl aufgestellt, aber das kommt ja alles von riesengroßen Monokulturen, die ich nicht für besonders nachhaltig halte.

Woraus ziehen Sie bei Ihrer Arbeit die größte Befriedigung?

Ich bin regelmäßig in Asien und dann macht es mir am meisten Freude zu sehen, welche vielfältigen Fairtrade-Projekte durch unsere Unterstützung aufgebaut werden konnten.

Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?

Wir unterstützen zum Beispiel ein School-Feeding-Programm. Da werden die Eltern von unterernährten Kindern eingeladen, um mit ihnen zu kochen und zu zeigen, wie sie aus lokalen und günstigen Gemüsesorten nahrhaftes Essen machen können. Denn leider haben auch Teile der ländlichen Bevölkerung verlernt mit regionalen Produkten zu kochen.

Dann gibt es Stipendien für begabte Kinder und viele kommen anschließend als ausgebildete Fachkräfte zurück in ihre Dörfer, weil sie sagen: Wir wollen unseren Dörfern helfen!

In Seeding-Projekten werden in Baumschulen Setzlinge für die Bauern gezüchtet werden, mit denen sie eine ertragreichere Ernte bekommen.

Außerdem gibt es noch verschiedene Projekte wie Brunnenbau. Es gibt nämlich Dörfer, die haben nicht mal frisches Wasser. Die müssen dafür zwei oder drei Kilometer irgendwo hinlaufen.

Oder Microfunding, wo man Menschen mit guten Ideen, ihre Investitionen vorfinanziert. Damit sie neben ihren kleinen Reis- oder Kokosfeldern auch andere Einkommensquellen erschließen können. Dabei werden die Leute sehr innovativ. Das ist sehr spannend.

Und natürlich sind all unsere Zulieferer Fairtrade zertifiziert, sodass die entsprechenden Gelder auch bei ihnen landen. Die Farmer organisieren sich in Kooperativen, sodass jeder Farmer – teilweise sogar jeder Bauer – mitentscheiden kann, was mit den Fairtrade-Einnahmen gemacht wird. Dann gibt es Leute, die das überwachen und natürlich die Fairtrade-Zertifizierungsorganisationen, die regelmäßig vor Ort sind. Unser Hersteller hat auch drei Angestellte, die regelmäßig Audits abhalten.

Wenn man als Verbraucher Fairtrade-Projekte unterstützen möchte – worauf sollte man beim Kauf achten?

Für Verbraucher ist ganz wichtig zu wissen, dass die Formulierung „fairer Handel“ auf Verpackungen nicht durch den Verbraucherschutz kontrolliert wird. Sie ist im Gegensatz zu Fairtrade-Siegeln nicht geschützt. Wobei es auch bei den Siegeln Unterschiede gibt. Es gibt Hersteller, die ihre eigenen Siegel ins Leben rufen, die von keinen externen Organisationen kontrolliert werden. Wer wirklich fair einkaufen will, sollte deshalb im Internet nachschauen, wer hinter einem Siegel steckt und ob die Bedingungen unabhängig kontrolliert werden.

Zum Schluss noch eine kulinarische Frage: Mit welchen Kokosprodukten kochen Sie am liebsten?

Das ist eine schwierige Frage, weil ich tatsächlich täglich Verschiedenes benutze. Aber was immer gut ankommt, sind meine Backofen-Kartoffeln mit Kokosöl und dazu ein schöner Salat mit Kokosblüten-Vinaigrette.

Klingt lecker! Vielen Dank für das Gespräch, Frau Grotendiek.

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