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Paul Ivic: Vom Junkfood-Liebhaber zum besten vegetarischen Koch der Welt

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von FlorianCooks

22.1.2019

Der Österreicher Paul Ivic ist mit einem Stern und drei Hauben ausgezeichnet und gilt als bester vegetarischer Koch der Welt. Doch nicht immer legte er Wert auf gute Lebensmittel, sondern schaute lediglich auf einen günstigen Preis. Im Interview verrät er, warum sich das geändert hat, wie seine Anfänge als vegetarischer Koch in Wien waren und warum ein Huhn heute lieber 14 Euro kosten sollte.

Nachdem Sie für eine gewisse Zeit viel Junkfood gegessen hatten, haben Sie sich entschieden, ausschließlich mit naturbelassenen Produkten zu kochen. Wie kam der Wechsel?

Ich wollte sehen und vor allem spüren was Junkfood mit meinem Geist und Körper macht. Dazu kam, dass mir in der Zeit das Bewusstsein für die Aufgabe, die ein Koch im Grunde hat, entglitten ist. Mein Fokus galt dem Preis und nicht der kompromisslosen Qualität von Lebensmitteln. Ich habe mich meiner Verantwortung als Koch entzogen, da ich mir schönredete, dass es keine Rolle bei der Qualität spielt, ob sie frei von Hormonen, Antibiotika, Pestizide oder all dem anderen Bullshit waren. Gegen meine eigenen Wertvorstellungen zu arbeiten, machte mich mental und physisch krank.

Anstatt mich als Opfer des Systems zu verstecken, wollte ich über mein Leben und Tun wieder selber bestimmen. Einen neuen Weg gehen. Zu dieser Zeit passte ich auch meine Ernährung wieder auf mein Wissen über Nahrungsmittel an. Nach einem Gespräch mit Christian Halper (Anm. d. R. Gründer und Besitzer des Tian), in dem wir viele gemeinsame Schnittstellen fanden, war es für mich an der Zeit, einen für mich noch unberührten Pfad zu gehen.

Heute kann ich sagen, es war für mich eine wertvolle Erfahrung und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin: Dann war ich es mir damals selber nicht Wert, auf mich zu achten – wie sonst kann man sich selber so etwas antun?

Mittlerweile sind Sie Küchenchef des rein vegetarisch-veganen Restaurants Tian. Ausgerechnet in der Stadt, die dem wohl berühmtesten Schnitzel seinen Namen gibt: Wien. Wie passt das zusammen?

Man sollte Wien nicht nur auf „sein“ Schnitzel reduzieren. Wien hat eine hervorragende Vielfalt an sehr guten Restaurants und die Wiener selbst können darauf sehr stolz sein. Was gibt es schöneres als ein facettenreiches kulinarisches Angebot in einer der schönsten Städte der Welt? Von daher passt unser Restaurant wie auch das Bistro hervorragend in diese wunderbare Stadt, weil wir mit unserem Zugang zum Gemüse ein weiteres spannendes gastronomisches Erlebnis in Wien anbieten.

Sie hatten zunächst überwiegend Frauen als Gäste im Tian, die auch nur einen Salat wollten. Hatten Sie in dieser Zeit daran gezweifelt, dass Ihr Konzept und Ihre Überzeugung scheitern könnten?

Der Zweifel treibt einen immer an weiter nachzudenken. Aus der Überzeugung zieht man die Kraft, nicht nach den ersten Widrigkeiten aufzugeben, sondern nach vorne zu blicken und einer Vision zu folgen.

Sternekoch Paul Ivic ist immer auf der Suche nach neuen Geschmäckern für seine Kreationen. Foto: Ingo Pertramer

Vegetarische und vor allem vegane Küche hat immer noch den Ruf, dass sie langweilig ist. Erleben Sie dieses Vorurteil auch und sehen Sie Ihre Art zu kochen als eine Art Pionierarbeit an?

In der Tat ist es eine große Herausforderung, die allgemein weit verbreitete manifestierte Meinung aufzubrechen, dass vegetarische und vegane Küche geschmacklos und langweilig ist. Ich sehe meine Arbeit mehr als Entdeckungsreise, auf der ich sehr viele neue Erfahrungen und sensationelle Geschmäcker erleben kann. Vor allem wenn man mit Kleinbauern zusammenarbeitet, bieten unsere unterschiedlichen Saisonen eine so unglaubliche Vielfalt, dass ich mich jeden Monat auf etwas Neues freuen kann.

Haben Sie das Gefühl, dass es bereits ein Umdenken bei den Verbrauchern gibt und sie mehr auf gute Qualität bei Lebensmitteln achten?

Es gibt mittlerweile einen geringen Prozentsatz, der bewusst mit Lebensmitteln umgeht. Der Großteil ergötzt sich daran, dass es wertlose Nahrungsmittel schon für ein paar Cent zu kaufen gibt. Wie sonst kann man bei Aktionspreisen wie Hühnerschenkel für 99 Cent nachgeben?

Oftmals wird der Punkt angeführt, dass natürliche Lebensmittel teurer sind. Sehen Sie das auch so?

Wir sollten uns mal fragen, was sind eigentlich natürliche Lebensmittel und was tun sie für einen selbst? "Was bedeutet dies für unsere Umwelt?", ist auch eine sehr entscheidende Frage mit der man sich seriös auseinander setzten sollte.

Für mich persönlich ist es zu teuer, sich jetzt mit billigsten Lebensmitteln zuzudröhnen. Ich investiere lieber mein Geld in genießbare, wertvolle Lebensmittel, die in der Regel ihren Preis wert sind. Wer glaubt, für 20 Cent ein Ei oder Milch für 80 Cent kaufen zu müssen und dabei ein wertvolles und gesundes „Lebensmittel“ zu erhalten, ist auf dem Irrweg. Es ist unmöglich zu diesem Preis ein nachhaltiges und natürliches Nahrungsmittel zu bekommen.

Der nächste Wahnsinn ist, dass wir eine Wegwerfgesellschaft geworden sind. Wir kaufen günstig ein und gehen dementsprechend sorglos mit den Lebensmitteln um. Ich habe mich da auch schon das ein oder andere Mal erwischt. Mittlerweile kaufe ich gerade das Notwendigste ein und verarbeite alles – das macht es günstig und nebenbei habe ich ein Lebensmittel mit wertvollen Inhaltstoffen gegessen. Man muss sich nur mal vor Augen halten, dass 1/3 der Lebensmittel für die Massentierhaltung, 1/3 für den Müll und lediglich die restlichen 1/3 für die Bevölkerung produziert wird.

Haben Sie für unsere Leser Tipps, wie sie gute Lebensmittel finden und unterscheiden können?

Es ist ein ewiger Lernprozess. Den Geschmack kann und muss man immer weiter schulen. Qualitätsstufen muss man sich durch Hinterfragen erklären lassen. Wer neugierig und offen bleibt, erfährt aufs neue wunderbare Genussmomente.

Ein weiteres Kriterium wäre, wirklich sinnvolle und verantwortungsvolle transparente Maßnahmen für den Konsumenten zu treffen. Was hier vor sich geht, erinnert mich an ein altes japanisches Sprichwort: Willst du deinen Feind verwirren, so füttere ihn mit vielen unnützen Informationen. Würden verantwortungsvolle Eltern tatsächlich ihre Kinder mit Obst versorgen, das mit 20 verschiedenen Pestiziden angereichert ist? Würden Sie ihren Kindern z. B. Lachs zum Essen geben, wenn sie wüssten, dass dieser mit Antibiotika und Hormonen hochgezüchtet wird? Würden sie ihren Kindern etwas zu trinken geben, wo Aminosweet (ehemals Aspartam) hinzugefügt wird? Hier ist die Politik gefordert, der Lebensmittelindustrie auf die Finger zu schauen und nicht wegzusehen. Das Nächste ist, wir dürfen das nicht alles akzeptieren und müssen die Bereitschaft haben, Menschen für ihre gute Arbeit auch entsprechend zu bezahlen. Dann kostet ein Huhn anstelle 2 Euro wieder 14 Euro.

Geht es nach Sternekoch Paul Ivic, dann brauchen Hobbyköche keine Angst haben, vor dem Experimentieren mit neuen Lebensmitteln. Foto: Ingo Pertramer

„Intuitiv und aus dem Bauch heraus“ – so bezeichnen Sie ihren Kochstil. Hat Sie auch schonmal Ihre Intuition verlassen?

Beides hat mit einem Entwicklungsprozess zu tun und kommt nicht von heute auf morgen. Es gibt ein gewisses Talent, das aber nur durch harte Arbeit auch zur Geltung kommt. Intuitives kochen erfordert sehr viel an Erfahrung und Wissen. Beides ist die Basis aus dem Bauch heraus zu kochen und dabei ein exzellentes Gericht zu kreieren.

Mittlerweile sind sie im Guide Michelin und Gault-Millau ausgezeichnet und gelten als der beste vegetarisch-vegane Koch der Welt. War das ein Ziel, auf das Sie speziell hingearbeitet haben oder würden Sie sagen, es ist Ihnen wichtiger nach Ihren eigenen Ansprüchen zu kochen?

Mein eigener Anspruch war und ist, immer das Beste zu geben und hierfür arbeite ich sehr hart, diszipliniert und auch Zeitintensiv mit meinem großartigen Team. Immer mit einer großen Portion an Freude und Dankbarkeit. Auszeichnungen und gutes Gästefeedback sind immer wieder ein notwendiges Elixier und zugleich Antrieb wie auch Verpflichtung, nicht nachzulassen und sich auf dem Aufgebauten auszuruhen.

Viele Menschen haben Angst, mit neuen Produkten zu kochen und allgemein Neues zu probieren. Welchen Tipp können Sie Hobbyköchen dabei geben?

Wir haben hierfür einen Spruch, um uns eine gewisse Lockerheit zu behalten – „Es lebe das Scheitern“. Also einfach machen.

Danke Paul Ivic für das tolle Gespräch.

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Titelbild: Ingo Pertramer

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