Nachhaltigkeit

Reiche Ernte ganz ohne Chemie: Dieser Film öffnet die Augen

Profilbild SimonCooks

von SimonCooks

22.6.2017

Das Lieblingsargument für Chemie und Gentechnik in der Landwirtschaft: Nur so kann eine ständig wachsende Weltbevölkerung ernährt werden. Filmemacher Bertram Verhaag hat sich auf die Suche nach Gegenbeispielen gemacht und sie gefunden: Eine Teeplantage im Himalaya, eine Farm mitten in der Wüste Ägyptens und einen Schweinezüchter in Bayern, die streng biologisch anbauen und dieselben Erträge einfahren wie ihre Konkurrenz. Spannend und erhellend erzählt im Kinofilm Code of Survival.

„Es macht keinen Spaß nur über die Negativbeispiele zu berichten“, sagt Produzent Betram Verhaag nach der Vorführung seines neuen Films Code of Survival in München. Deshalb habe er in diesem Film erfolgreiche Landwirte ins Rampenlicht gestellt, die mit rein biologischem Anbau erfolgreich sind - anstatt die Gefahren durch Chemie und Gentechnik in den Vordergrund zu stellen. Er wolle zeigen, dass es auch anders geht: Ohne chemische Unkrautvernichter und genmanipuliertes Saatgut.

Das gelingt ihm eindrucksvoll mit authentischen Aufnahmen auf drei Kontinenten.

Als ich mich nach der Vorführung im Kinosaal umsehe, finde ich es sehr schade, dass höchstens ein Viertel des Saals gefüllt ist. Dabei wäre der Film für viel mehr Menschen relevant. Im Prinzip für uns alle. Denn er liefert spannende Einblicke in die Produktion unserer Nahrung. Und vor allem widerspricht er vehement einem gängigen Argument: Ohne Chemie und Gentechnik lässt sich die Weltbevölkerung nicht ernähren.

Mit Biodünger statt Chemie

Das erste Gegenargument liefert ein landwirtschaftlicher Betrieb in Ägypten, dessen Geschichte man sich nicht eindrucksvoller ausdenken könnte: Wo Ende der 1970er noch öde Wüste war, grünt es heute auf 70 Hektar. „Die Stauung des Nils führte dazu, dass nichts mehr wuchs und machte Ägypten zum Land mit dem höchsten Kunstdüngereinsatz“, erklärt Helmy Abouleish, dessen Vater den Betrieb SEKEM Ende der 1970er 60 Kilometer nordöstlich von Kairo gegründet hat. SEKEM verfolgt ein ganzheitliches und nachhaltiges Konzept und arbeitet mit biodynamischen Methoden. So haben die Abouleishs es geschafft, aus einer kargen Wüste ein fruchtbares Ackerland zu machen. Drei Viertel der Erzeugnisse werden zudem vor Ort auf dem ägyptischen Markt verkauft.

Ähnlich beeindruckend ist das zweite Beispiel: Die Teeplantage AMBOOTIA im berühmten Anbaugebiet Darjeeling im Himalaya (siehe Titelbild). Auch hier wurde ein ausgelaugter Landstrich wieder fruchtbar gemacht, ebenfalls mit biodynamischen Anbaumethoden. Mit Bio- statt Kunstdünger.

Diese zwei Beispiele demonstrieren die hoffnungsvolle Botschaft des Films: Erfolgreiche Landwirtschaft ist nicht nur ohne Chemie möglich – mit der richtigen Bewirtschaftung lassen sich sogar karge Anbauflächen regenerieren.

Das letzte Beispiel zeigt, dass man nicht weit reisen muss, um zu sehen, dass biologische Landwirtschaft funktioniert. Franz Aunkofer stellte seinen Schweinemastberieb als einer der ersten in Deutschland auf ökologische Bewirtschaftung um und ist damit sehr gut gefahren. Die gängige Angst von sinkenden Erträgen kann er nicht bestätigen. Er erwirtschaftet ebenso viel wie konventionelle Betriebe.

Resistente Pflanzen und der Giftkreislauf

Ganz ohne Negativbeispiele kommt Code of Survival aber nicht aus. Zwischen den Erfolgsgeschichten aus Asien, Ägypten und Bayern berichten Farmer aus den USA von ihren Erfahrungen mit Glyphosat, dem weltweit meist verbreiteten Herbizid. (Zum Weiterlesen: Mehr über Glyphosat, seine Risiken und warum es derzeit so stark diskutiert wird )

Die Bilanz ist erschütternd: So sehr die Farmer daran glauben, nur mit Glyphosat profitabel wirtschaften zu können, so hart haben sie doch mit den Folgen des Herbizideinsatzes zu kämpfen. Ein Sojabauer zeigt meterhohes „Pickweed“ – glyphosatresitentes Unkraut, das dem Soja Licht und Nährstoffe stiehlt und so die Ernte zerstört. Scheinbar hat die Natur einen Weg gefunden, dem Herbizid zu entgehen, dem sonst keine Pflanze widerstehen kann. Natürlich mit Ausnahme der gentechnisch modifizierten Nutzpflanzen. Sie sind unter dem Namen Roundupready (RR) bekannt und wurden mit einer Resistenz versehen, damit sie dem Herbizid nicht zum Opfer fallen. Auf sie bauen die amerikanischen Farmer, die ihre Felder mit Glyphosat besprühen.

Interessanterweise werden die Samen der RR-Pflanzen von demselben Unternehmen hergestellt wie das Gift: dem Chemieriesen Monsanto. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welches Interesse ein Unternehmen hat, das sowohl das Herbizid als auch die resistenten Nutzpflanzen produziert. Nämlich, dass beides weiterhin eingesetzt wird. Ein Teufelskreis. Denn wer mit der Glyphosatbehandlung beginnt, für den sind Nutzpflanzen ohne Resistenzen in naher Zukunft keine Alternative mehr.

Eine Szene im Film zeigt eindrucksvoll, welche Perversion die chemische Behandlung annehmen kann: Ein Farmer in Mississippi zählt auf, welche Gifte er, in welcher Reihenfolge auf sein Feld sprüht, damit er auch wirklich alle Schädlinge besiegen kann, inklusive des resistenten Pickweeds. Ein erschreckender Giftkreislauf.

Authentisch und mit Leidenschaft

Code of Survival erzählt seine Geschichte sehr unaufdringlich. Mit Ausnahme einiger Ergänzungen durch Betram Verhaag aus dem Off, schildern die Farmer ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus ihrer Sicht. Man hat als Zuschauer nicht den Eindruck, dass die Aussagen durch geschickte Schnitte oder dergleichen so ausgewählt werden, dass sie eine gewünschte Botschaft stützen.

Die Interessen der Chemiekonzerne, allen voran Monsantos, werden immer wieder pointiert entlarvt, indem deren Werbe- und PR-Videos den Aussagen von Experten entgegengehalten werden. Darunter die Forscherin Jane Goodall, die vor allem durch ihre jahrzehntelange Beobachtung von Schimpansen bekannt wurde.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Erschreckend, auf welche Weise an vielen Orten Landwirtschaft betrieben wird, und ermutigend, dass es auch anders geht.

Der Film Code of Survival ist derzeit nur in ausgewählten Kinos in Deutschland zu sehen. Aber ein Besuch lohnt sich definitiv. Vor allem Vorstellungen mit anschließendem Gespräch mit Bertram Verhaag – wie in meinem Fall in München – kann ich nur empfehlen. Man lernt dabei einen Mann kennen, der seit Jahren engagiert dafür arbeitet, dass Menschen sich mehr damit beschäftigen, wo ihr Essen herkommt. Und man hat die Möglichkeit, ihm eigene Fragen zu stellen, die er geduldig beantwortet.

Mein Fazit: Film anschauen, Kopf anschalten

Ich verließ das Kino sehr nachdenklich. Zum einen erschreckt darüber, wie wenig ich bisher darüber wusste, wie die Lebensmittel hergestellt werden, die ich jeden Tag zu mir nehme. Zum anderen etwas hilflos: Die Zustände in der Landwirtschaft, wie sie der Film gezeigt hatte, waren erschreckend. Aber wie konnte man daran etwas ändern? Vor allem: Was konnte man als einzelner tun?

Mir gefällt die Antwort des Filmemachers Verhaag, als ihm dieselbe Frage nach der Vorführung gestellt wurde: „Jeder einzelne muss aktiv werden und sich damit beschäftigen, woher seine Lebensmittel stammen. Wer etwas ändern möchte, muss zuerst nachfragen.“ Sich informieren, den eigenen Kopf einschalten und nicht einfach das glauben, was einem erzählt wird – ein Ratschlag für den ich immer zu haben bin.

Die besten Artikel und Rezepte

... direkt in dein Postfach. Jede Woche neue Rezeptideen und spannende Magazinartikel als Newsletter.